Nachdem wir uns in letzter Zeit mit einigen Schubert Liedern beschäftigt haben springen wir heute ein wenig in der Zeit zurück und sehen uns an, wie die Form des Präludiums entstand.

 

Manchmal setzen sich Musiker ans Instrument und lassen ihre Gedanken einfach fließen. Sie spielen mit Melodien die ihnen einfallen, fantasieren über verschiedene Motivfetzen oder lassen ihre Finger einfach laufen.

Aus dieser Art des freien Spiels (oder Improvisierens) ist eine der ersten Instrumentalformen der europäischen Musikgeschichte entstanden: das Präludium.

 

Im 15. Jhdt., und noch lange danach, diente es in erster Linie als Vorspiel zu Vokalwerken wie Liedern oder Motetten und hatte die Aufgabe, die Tonart vorzubereiten und die Sänger auf das Werk einzustimmen.

Es ist dadurch zwar zweckgebunden, aber da es aus der Improvisation entstanden ist gibt es innerhalb der Präludien eine große Bandbreite an verschiedensten Ausformungen indem sie mit Läufen, Akkorden, Spielfiguren oder anderem mehr spielen.

 

Ungefähr zur Zeit J. S. Bachs (1685-1750)  wurde es dann auch Instrumentalwerken vorangestellt. Seinen wichtigsten Auftritt in dieser Zeit hatte es im Wohltemperierten Klavier.

Die Entwicklung ging natürlich weiter und im 19. Jhdt. wurde aus dem Präludium ein eigenständiges Charakterstück für Tasteninstrumente, bekannt vor allem durch die 24 Preludes von F. Chopin oder einigen Werken von S. Rachmaninov.

Aber die großen Orchesterwerke wie “Les Preludes” von F. Liszt oder “Prélude à l´Après-midi d´un faune” von C. Debussy hatten nichts mehr mit seiner ursprünglichen Form zu tun.

 

Aber kommen wir noch einmal zu seiner frühen Form und zu den zwei bekanntesten Beispielen aus der Feder J. S. Bachs, einem Präludium aus dem Wohltemperierten Klavier und die Einleitung zur ersten Cellosonate.

Beide sind in ihrer Ausführung sehr ähnlich, denn sie bestehen aus einfachen Akkordzerlegungen die in ihrer nackten Schönheit dastehen, ohne Ausschmückung oder Verzierungen, einfach nur als Grundgerüst der harmonischen Musik.

 

Das Präludium Nr. 1 C-Dur aus dem Wohltemperierten Klavier

 

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Das Wohltemperierte Klavier ist eine Sammlung von Musikstücken durch alle Tonarten und besteht immer aus dem Zweigespann Präludium mit anschließender Fuge. Die Fuge ist eine der strengsten Formen des Komponierens und daher eignet sich das Präludium, durch seine Herkunft aus der Improvisation, besonders gut um ein Spannungsfeld herzustellen in dem sich beide entfalten können.

Das Präludium in C-Dur klingt als würde es einen Vorhang weben, einen Nebel aus Noten durch den die Klarheit der nachfolgenden Fuge besonders hervorstechen kann.

Die hier verwendete Form der gebrochenen Harmonien in einer Auf- und Abwärtsbewegung war zur Zeit Bachs in etwa so verbreitet wie heute die Akkordbegleitung auf der Gitarre. Vielleicht stellte Bach es deshalb an den Anfang seines monumentalen Werkes. Wie um zu sagen: „Seht her, hier sind die Harmonien in ihrer einfachsten Form, mehr braucht es dazu nicht.“

 

An dieser Stelle müssen wir das erste Mal ein wenig über Harmonik sprechen. Wie wir mittlerweile wissen sind Harmonien (Akkorde) Zusammenklänge von verschiedenen Tönen nach bestimmten Regeln.

Sie bilden den Gegensatz zu Melodien, bei denen die Töne nacheinander erklingen.

 

Jedes Musikstück ist in einer bestimmten Tonart geschrieben. Das heißt, es gibt einen bestimmten Akkord auf den sich das Stück bezieht und den der Hörer als Ruhepunkt empfindet.

Alle anderen Akkorde stehen in Bezug zu ihm, indem sie entweder von diesem Ruhepunkt wegstreben oder wieder zu ihm zurück wollen. Darauf beruht, stark vereinfacht, der harmonische Reiz der abendländischen Musik.

 

In den ersten vier Takten des Präludiums hört man alle drei Grundakkorde. Zuerst den Ruhepunkt, dann den Akkord der wegstrebt, den der zurück zur Ruhe möchte und dann wieder den Hauptakkord. (0:00 – 0:13)

Das ist von immenser Wichtigkeit um klassische Musik zu verstehen, denn abgesehen von der Schönheit ihrer  Melodien ist es dieses tonale (auf eine Tonart bezogene) Harmoniesystem, dass dieser Musik ihren Siegeszug um die Welt ermöglichte.

 

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Vereinfacht kann man sagen, dass die gesamte westlich / tonale Musik auf drei Akkorden aufgebaut ist.

Die Tonika ist der Akkord der die Tonart bestimmt. Ein Musikstück beginnt und endet mit ihm und als Hörer empfinden wir ihn als Ruhepunkt.

Die Subdominante ist die Harmonie die von der Tonika wegführt. Sie klingt instabil und so, als würde die Musik nach etwas suchen.

Die Dominante ist am leichtesten erkennbar, denn sie hat die stärkste Spannung. Sie löst das starke Gefühl aus, dass sie irgendwohin will (normalerweise zur Tonika), und wenn das geschieht empfinden wir ein Gefühl von Erleichterung.

 

Natürlich gibt es viele Nebenakkorde, es gibt viele Spielereien mit Zusatztönen in den einzelnen Akkorden und eine Entwicklung von diesen einfachen Verbindungen bis hin zu den komplexesten, die man auch als Musiker hörend kaum noch verstehen kann.

Und dann die Auflösung dieser jahrhundertealten Tradition durch Zwölftonmusik und ähnlichem am Beginn des 20. Jhdt.

Aber wenn man die europäische Musik von etwa 1650 bis 1950 verstehen will, dann muss man dieses tonale System, wenigstens in Grundzügen, verstanden haben.

 

Auch in diesem Beispiel sind es wieder nur gebrochene Harmonien aus denen das Stück besteht, die aber trotzdem so viel mehr bedeuten als nur eine langweilige Akkordzerlegung sondern, wie so oft bei Bach, eine ganze Welt an Schönheit vor uns ausbreiten.

 

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