Das ist der zweite Teil meiner Reihe über die Entwicklung der Suite. Nachdem wir im ersten Teil ein wenig über ihre Vorgeschichte gesprochen haben, widmen wir uns ab heute ihren einzelnen Tänzen und beginnen mit der Pavane.
Die Pavane ist ein feierlich-langsamer Schreittanz, meist in Verbindung mit einem lebhaften Nachtanz, der sich ab dem 16. Jhdt. über ganz Europa verbreitete und für fast hundert Jahre zu den beliebtesten Tänzen gehörte.
In der ersten Hälfte des 17. Jhdt. kam er langsam aus der Mode, wurde jedoch in der Instrumentalmusik bis weit in das 18. Jhdt. hinein verwendet.
Der Name Pavane leitet sich wahrscheinlich aus dem italienischen oder französischen ab, als eine Verballhornung des Wortes für „Pfau“ (franz. = pavonc; ital. = pavone).
Darauf weist auch der deutsche Gelehrte M. Paeätorius in seinen Aufzeichnungen hin: „Inmaßen man sieht, dass er mit sonderlichen, langsamen, zierlichen Tritten und spanischer gravitet formieret werden muss.“ (Syntagma musicum, 1619)
Damit spielte er auf das stolze, gravitätische Wesen der Pavane und die bei ihren Schritten charakteristische „pfauenhafte“ Herausstellung der Kleidung an.
Eine andere Theorie spricht davon, dass die Pavane zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Italien entstanden ist und sich ihr Name von der italienischen Stadt Padua herleitet, wo sie bis heute als „Padovana“ bekannt ist.
Wir haben im ersten Teil davon gesprochen, dass alle Tänze zuerst Volkstänze waren. An den Höfen Frankreichs und Italiens entwickelten sich daraus zu Beginn des 14. Jahrhunderts eigene Gesellschaftstänze.
Während die Volkstänze vor Lebensfreude sprudelten, bevorzugte der Adel ruhige Schreittänze mit streng festgelegtem Ablauf. Denn die höfischen Gesellschaftstänze entwickelten sich nicht nur aus den Volkstänzen, sondern auch aus den am Hofe beliebten Theateraufführungen. Bei diesen traten die Adeligen in Rollen als Sagengestalten aus der griechischen Mythologie auf, wozu auch Tänze aufgeführt wurden.
Deshalb wirken auch die damals verbreiteten Gesellschaftstänze stark stilisiert und die Tänzer wie Schauspieler, was am Beginn des 16. Jhdt. zu einer Gegenreaktion führte. Bisher beliebte Tänze wie die „Basse danse“ und der „Saltarello“ waren mit einem Mal in der höfischen Gesellschaft verpönt und ein neues Tanzideal hielt Einzug.
Da kam die Pavane gerade recht, galt sie doch als echter „Gebrauchstanz“ und wirkte, etwa durch ihren Verzicht auf Pantomime, als überaus lebensnah und natürlich.
Ihre Leichtigkeit und Unkompliziertheit führte schließlich dazu, dass sie zu einem der beliebtesten Tänze am Hofe wurde.
Auf diesem Video kann man sehr schön sehen, wie sie getanzt wird.
Zu Beginn und am Ende vollziehen beide Tanzpartner eine Reverence: Der Herr streckt das rechte Bein nach vorne und verbeugt sich vor der Dame, ohne dabei den Kopf zu senken. Die Dame beugt beide Knie gleichzeitig wie zu einem Knicks. Der Herr kann anschließend noch seine eigene Hand küssen, bevor er sie der Dame reicht (die frühe Form unseres Handkusses).
„Der Edelmann kann sie tanzen in Mantel und Degen: Und Ihr anderen in langen Roben, ehrbar einherschreitend mit gesetztem Ernst. Und die Demoisellen in bescheidener Haltung, die Augen niedergeschlagen, ab und zu die Anwesenden mit jungfräulicher Sittsamkeit anblickend.
Und was die Pavane angeht, sie dient den Königen, Fürsten und Großen Herren dazu, sich an bestimmten feierlichen Festtagen zu zeigen, mit ihren großen Mänteln und Parade-Kleidern. Und dabei begleiten sie die Königinnen, Prinzessinnen und Damen, die langen Schleppen ihrer Roben herabgelassen und hinterherschleifend, manchmal von Demoisellen getragen.
[…] Man bedient sich der besagten Pavanen auch bei einem Maskenball zum Entrée von Triumphwagen mit Göttern und Göttinnen, Kaisern und Königen voller Majestät.“ (Thoinot Arbeau: Orchésographie)
Erste Pavanen finden sich schon 1508 in den Lautenwerken des Italieners Joan Ambrosio Dalza. In Venedig gedruckt breiteten sie sich schnell über ganz Europa aus und blieben für ein halbes Jahrhundert der vornehmste Tanz der Leute von Stand.
Sie wurden an allen Königs- und Fürstenhöfen bei großen Feierlichkeiten mehr oder weniger vom gesamten Hof getanzt und dienten auch der prunkenden Zurschaustellung kostbarer Roben und Gewänder.
In diesem Video sieht man, wie als Anschluss an die Pavane eine Galliarde getanzt wird, die damals übliche Paarung.
Auch die englische Königin Elisabeth I. hatte eine Vorliebe für die Pavane, was sicher mit ein Grund für ihre späte Hochblüte am englischen Hofe war.
Zu ihrer Zeit, gegen Ende des 16. Jahrhunderts, erlebte die Pavane eine immer größere Stilisierung und kam als Kunstform zu ihrer allerhöchsten Vollendung. Gleichzeitig entwickelt sie sich immer stärker zu einem Trauerstück, ganz im Sinne der damals verbreiteten Mode der Melancholie, und war auch unter der Bezeichnung Lamento oder Tombeau verbreitet.
Das bekannteste Werk dieser Art ist sicher John Dowlands „Pavan Lachrimae“, Variationen über das Lied „Fließet, meine Tränen.“
Wenn man sich Zeit nimmt und dem Stück nachspürt, dann merkt man, wie die Verzierungen nicht als nettes Beiwerk dienen, sondern wie ein auskomponierter Fluss von Tränen wirken.
Erst in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts kam die Pavane als Tanz langsam aus der Mode, behielt aber in England und Deutschland noch einige Jahrzehnte ihre Bedeutung als Kompositionsform.
Unterstützt doch auch mein neues Projekt zur Bildung und Kultur. Im Beitrag “Die Online-Plattform” könnt ihr mehr darüber lesen oder, falls euch meine Abeit gefällt, könnt ihr mich auch direkt hier mit einer Spende unterstützen:
Spenden Button