Jan Vermeer van Delft war ein Maler des niederländischen Barock aus dem 17. Jahrhundert. Unter den nur 37 Bildern, die es heute noch von ihm gibt, zählen zwei Stadtbilder von Delft, das Bild hier ist die bekannte „Ansicht von Delft“ von 1661, das heute im Mauritshuis in Den Haag zu sehen ist.
Der Schriftstelle Marcel Proust, bekannt durch sein Mammutwerk „auf der Suche nach der verlorenen Zeit“, sah es 1921 in einer Ausstellung im Jeu de paume, in Paris und bekam dort einen Schwächeanfall. Dieses Ereignis flocht er in sein Buch ein, in dem der Maler Bergotte angesichts eines Bildes sagte:
„So hätte ich schreiben sollen. Meine letzten Bücher sind zu trocken, sie hätten mehrere Schichten Farbe gebraucht um Meine Sätze so kostbar zu machen, wie dieses kleine gelbe Mauerstück“
Dann stirbt er vor dem Bild.
Man ist sich einig, dass diese Aussage sich auf das Bild „Stadtansicht von Delft“ bezieht. Proust, der bei seinem Besuch der Ausstellung bereits selber krank war, fügte diese Szene kurz vor seinem Tod in sein Werk ein. So kann man dieses kleine gelbe Mauerstück als Quintessenz der künstlerischen Arbeit sowohl von Bergotte, als auch Proust selber, sehen.
Auch wenn es dieses Mauerstück auf dem Bild gar nicht gibt.
Dieter E. Zimmer mutmaßt: „Ich denke gern, er habe es erfunden. Ich stelle mir vor, wie er überlegte, welches Detail es in dem Bild gut geben könnte, aber nicht gibt, wie er an das Bild herantrat, um sich zu überzeugen, dass es tatsächlich keinerlei kleines gelbes Mauerstück mit einem Vordach enthält – und wie er nun wusste, was er zu tun hatte“. (Dieter E. Zimmer, SZ, 24.12.1996)
Das Allgemeine am Beispiel des Einzelnen gezeigt, dessen Erkenntnisse wir dann nachlesen können, Das Vollkommene aber erfunden, denn in der Wirklichkeit verliert es seine Vollkommenheit.
(G. R.)
Titelbild: Johannes Vermeer, Ansicht von Delft; CC0 Mauritshuis Museum