Die Spätantike ist im mediterranen Raum das Zeitalter des Übergangs von der Antike zum frühen Mittelalter, dessen Beginn und vor allem Ende zeitlich nicht genau festgelegt werden kann. Als nicht völlig unumstrittener Beginn wird jedoch meist der Regierungsantritt des römischen Kaisers Diocletian im Jahr 284 nach Christus gesehen.

 

Zu Beginn des vierten Jahrhunderts ergaben sich dann mehrere Grundkonstellationen für das schwächelnde Römische Reich: Auf der einen Seite erfuhr das Imperium zahlreiche Reformen und Stabilisierungsmaßnahmen, beispielsweise unter Diocletian, Konstantin dem Großen (nach 270-337) oder Valentinian, dessen Limesrenovierung von einer zwar bedrängten, aber immer noch intakten Provinzialgesellschaft in den Provinzen an Rhein und Donau zeugten.

Dem standen eine fortschreitende „Germanisierung“ und die langsam einsetzende Völkerwanderung gegenüber, die beispielsweise durch die Schlacht von Adrianopel 378 und deren Folgen in das römische Bewusstsein rückten.

Auch Kaiser Theodosius (347-395) Religions- und Reichsteilungspolitik prägten das Schicksal des spätantiken Europas maßgeblich und etablierten Christentum und Mehrkaisertum gleichermaßen.

Zusammengefasst kann das vierte Jahrhundert trotz der andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen und chaotischen Einfälle der „Barbaren“ in das Reichsgebiet eine partiell durchaus gelungene Konsolidierung des Staatsapparates und damit eine zugegebenermaßen relativ bemühte Aufrechterhaltung der Provinzverwaltung verzeichnen.

 

Zu Beginn des fünften Jahrhunderts kulminierten schließlich die früheren politisch-sozialen Entwicklungen und führten das Weströmische Reich in eine Zeit des Wandels und Übergangs, die letztendlich auch dessen formalen Untergang herbeiführen sollte.

Der gesamte Zeitraum bildet einen Höhepunkt der Völkerwanderungszeit: Großverbände wie die Hunnen oder später die Franken formierten sich und betraten das Reichsgebiet – als Föderaten oder als Einfallende.

Nach dem Sieg des Heerführers Flavius Aëtius (um 390-454) über die Hunnen unter Attila im Jahr 452 war den massiven Bevölkerungsverschiebungen jedoch keinesfalls Einhalt geboten. Die Eroberung Roms durch Odoaker im Jahr 476 und der damit verbundene Fall des Weströmischen Reiches stehen symbolisch für den über Jahrzehnte andauernden Niedergang der römischen Herrschaft in den Provinzen, auf deren ehemaligen Gebieten nun die germanischen regna, die Nachfolgereiche, begründet werden.

 

Gegen Ende des Jahrhunderts errang der Ostgote Theoderich die Macht in den von Odoaker beherrschten, italischen Gebieten. Er etablierte ein stabiles Königtum, das er in römische Tradition und unter den formellen Oberbefehl Ostroms stellte.

So konnten sich zahlreiche spätrömische Strukturen noch bis zum Ende des Jahrhunderts und darüber hinaus erhalten.

Zusammengefasst kann das fünfte Jahrhundert als eine Zeit des Übergangs gesehen werden, gekennzeichnet durch ein Aufeinanderprallen der germanischen und romanischen Kulturen. Der Niedergang des Weströmischen Reiches und der Aufstieg der teilweise kurzlebigen germanischen regna sorgte dabei jedoch nicht, wie in der älteren Forschung proklamiert, für einen Untergang von Kultur und Zivilisation, sondern vielmehr für eine intensive, wechselseitige Vermischung, welche wesentliche Richtlinien der frühmittelalterlichen Geschichte Europas festlegen sollte.

 

Zu Beginn des sechsten Jahrhunderts etablierten sich schließlich die bereits in früheren Jahrzehnten herausgebildeten romanisch-germanischen Nachfolgereiche als feste Instanzen im mediterranen und europäischen Raum.

Der Ostgotenkönig Theoderich herrschte bis zu seinem Tod 526 über Italien. In die Folgejahre fällt die Regierungszeit des Kaisers Justinian (482-565), der durch seine energische Politik weite Teile des Weströmischen Reiches wiedererobern konnte. Diese unter großen Verlusten und ökonomischen Verheerungen herbeigeführte Reichseinheit zerbrach jedoch nach seinem Tod 565 bald wieder.

Die Gebiete nördlich der Alpen erlebten in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts den Aufstieg und die teils rigorose Ausbreitung des Frankenreichs unter den Merowingern.

Zusammenfassend kann das sechste Jahrhundert als Ende der Völkerwanderungszeit und gleichzeitig als Beginn des frühen Mittelalters gesehen werden. Es konnten sich neue Machtfaktoren, Verwaltungsstrukturen und Gesellschaftsformen entwickeln.

 

Die allgemeinen Entwicklungslinien während der Spätantike zeichnen einen geradezu gewaltigen Wandel in politisch-militärischer, gesellschaftlich-sozialer sowie kulturell-religiöser Hinsicht ab und markieren die Epoche damit nicht nur – wie früher angenommen – als Zeit des Verfalls und Untergangs, sondern viel eher als Übergangsepoche. Deutliche, datierbare Brüche können dabei kaum festgemacht werden.

Der in diesen Jahrhunderten stattgefundene Untergang des Weströmischen Reiches und das Ende des römisch-antiken Staatsapparates und der politischen Infrastruktur – zumindest im Westen – sind nur die Auswirkungen von mannigfaltigen Ursachen und vielschichtigen Prozessen.

Die Ausgangslage um 300 umfasste dabei neben Reformen und einer Neugliederung des Reiches auch den Beginn der Völkerwanderung, die zunehmende „Germanisierung“ des Reiches sowie die allmähliche Etablierung des Christentums und den komplexen Prozess der Christianisierung.

 

(Ch. Sch.)