Das klassische Griechenland erfand die Philosophie und Demokratie, während das Römische Reich bis heute die Grundfesten unserer westlichen Kultur und Zivilisation bildet. Tatsächlich liegen zwischen den Blütezeiten dieser beiden Kulturen jedoch mehrere hundert Jahre. Das ist die Zeit des Hellenismus, also die Epoche zwischen den Eroberungszügen Alexanders des Großen und dem Beginn der Alleinherrschaft des ersten römischen Kaisers Augustus. In Jahreszahlen umfasst es die Zeit von 336 vor Christus, dem Regierungsantritt Alexanders, bis 30 vor Christus, das Jahr in dem das Römische Reich mit dem ptolemäischen Ägypten das letzte verbliebene hellenistische Reich annektierte.

Diese Epochengrenzen sind schwammig. Bereits vor Alexander hatte sich die griechische Kultur weit ausgebreitet, es gab Kolonien an den Küsten des Schwarzen Meeres und des gesamten Mittelmeeres, bis nach Frankreich und Spanien. Festlandgriechenland wurde dagegen schon mitten im Hellenismus ein Teil des Imperiums. Und auch nach dem Ende des ägyptischen Ptolemäerreiches spielte das Griechentum eine herausgehobene Rolle in der nun führenden Kultur des neuen Weltreiches. Die Römer liebten die griechische Lebensart und sie verehrten und rezipierten die Philosophen bis in die Spätantike hinein, wo nicht zuletzt der Neuplatonismus das frühe Christentum und damit wiederum das europäische Mittelalter prägen sollte.

 

Der Hellenismus ist im heutigen Bewusstsein nicht so tief verankert wie das Weltreich der Römer oder die großen Leistungen des klassischen Griechenlands. Doch gerade diese Epoche überrascht durch ihr überreiches kulturelles Leben. Im Mittelmeerraum waren die drei vorchristlichen Jahrhunderte überaus multikulturell und pluralistisch. Es war eine Hochzeit von Kunst, Musik und Dichtung, aber auch Wissenschaft und Technik. Bereits Alexander der Große wurde von Geographen begleitet, die das Land vermaßen. Mathematik, Medizin, aber auch Philosophie knüpften an die Errungenschaften des klassischen Griechenlands an und entfalteten sich weiter. Gleichzeitig waren die Völker und Reiche im ständigen Wandel, es gab Kriege und Spannungen, aber auch fruchtbare kulturelle Verschmelzungen.

 

Nach dem Tod Alexanders des Großen zerfiel sein riesiges Reich in mehrere sogenannte Diadochenreiche (griechisch für Nachfolger), jeweils regiert von ehemaligen Generälen Alexanders.

In Makedonien übernahm die Dynastie der Antigoniden (nach dem General Antigonos „dem Einäugigen“). In Syrien entstand das Seleukidenreich (nach dem Feldherren Seleukos „dem Siegreichen“), das während seiner größten Ausdehnung im späten dritten Jahrhundert vor Christus weite Teile Kleinasiens, der Levante und des Vorderen Orients umfasste. In Ägypten kam die Dynastie der Ptolemäer (nach dem General Ptolemäus Soter) an die Macht, deren letzte Herrscherin 300 Jahre später die berühmte Kleopatra (VII. Philopator) sein sollte. Der mediterrane Raum wurde zwar zunehmend „hellenisiert“, letztendlich gab es aber noch eine Vielzahl an weiteren antiken Völkern – Ägypter und Perser, Punier und Etrusker, Berber und Kelten.

Neben den Diadochenreichen gab es jedoch noch zahlreiche andere Herrschaftsgebiete im Mittelmeerraum. Am Hindukusch löste sich das Griechisch-Baktrische Königreich von den Seleukiden, in Kleinasien entwickelten sich mehrere kleine Territorialstaaten wie Bithynien, Pergamon, Pontos und auf Sizilien etablierten sich Monarchien wie das Königreich von Syrakus.

Italien war von den andauernden Eroberungskriegen der Regionalmacht Rom geprägt, die nach und nach die Halbinsel in Abhängigkeit brachten. Im dritten Jahrhundert vor Christus wurde die punische bzw. phönizische Handelsstadt Karthago im heutigen Libyen zur reichsten Metropole des Mittelmeers. Ihr Machtbereich umfasste viele Küsten Nordafrikas, Südspaniens, der Balearen, Korsikas, Sardiniens und Siziliens.

 

(Ch. Sch.)