Der gregorianische Gesang „Misit Dominus“ wird am 2. Sonntag nach Erscheinung gesungen. Er gehört zur Gattung des Responsorium Graduale (kurz nur „Graduale“). Bei diesen handelt es sich um sogenannte Antwortgesänge, die auf den Vortrag der ersten Lesung in der Messe folgen. Im Gegensatz zu anderen Arten von Choralgesängen, welche liturgische Handlungen begleiten, gehören Graduale zu den Stücken, in denen der musikalische Vortrag des Wortes im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Es sind ausdrucksvolle Stücke, mal meditativ, mal freudenreich.

Das Graduale „Misit Dominus“ beginnt behutsam mit einem getragen Gang. Über „Dominus“ sind alle Töne breit, und die Linie fällt langsam herab, dann aber erhebt sich die Melodie mit einem ersten Sprung, um wieder in einen Ruhepol einzupendeln:

 

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Ein ausgewogenes Wellenspiel stellt sich uns dar: Die Phrase erreicht den Höhepunkt nicht zu direkt und führt danach gemächlich zurück. Von diesem facettenreichen Spiel mit Aufschwung und Entspannung des melodischen Flusses lebt die Gregorianik. Bisweilen steigert es sich zu einem hochdifferenzierten Profil. Schauen wir beispielsweise weiter zum Ende der Phrase zu „sanavit eos“ (er heilte sie): Hier kreist die Melodie zuerst in einem eher tiefen Bereich, schwingt dann empor und fällt mit zwei fallenden Gesten herab, um sich dann aber nochmals und weiter aufzuschwingen.

Man kann noch mehr melodische Raffinessen in diesem und anderen gregorianischen Chorälen aufzeigen und darlegen, wie sie dem Text hochdifferenziert Ausdruck verleihen. Diesen Reichtum wollen die Artikel über Gregorianik auf dem Leiermann-Blog erschließen!

 

(M. R.)