1821 wird in Paris Pauline Garcia in eine bekannte spanische Sängerfamilie hineingeboren.
Schon Paulines Vater feierte Erfolge als Tenor und setzte mit seinem Können neue Maßstäbe. Auch ihr Bruder Manuel war Sänger und der wohl einflussreichste Gesangspädagoge dieser Zeit. Die 13 Jahre ältere Schwester Maria wurde bald unter ihrem Ehenamen Maria Malibran zur gefeierten Sopranistin und ersten Diva der Operngeschichte. Überall in der musikalischen Welt trat sie auf, verzauberte das Publikum, ja zog es geradezu magnetisch an. In diesem künstlerischen Umfeld also nahm Pauline zunächst Klavierunterricht und studierte Komposition. Erst nach dem frühen Tod der weltberühmten Schwester begann sie zu singen.
1840, mit 19, heiratete sie den 21 Jahre älteren Schriftsteller, Kunsthistoriker, Theaterdirektor, Übersetzter (und in den ersten Jahren seines Berufslebens auch Juristen) Louis Viardot. Die beiden lernten sich durch George Sand kennen, einer Freundin Paulines, deren Scheidung Louis als Rechtsanwalt vorantrieb.
Eine glückliche Ehe führten die Viardots – zumindest meist – Louis liebte seine Frau sehr und unterstützte ihre Karriere mit aller Kraft.
Pauline Viardot, wie sie ab diesem Zeitpunkt heißt, hatte ihr Operndebut schon ein Jahr zuvor gegeben und begeisterte das Publikum nicht nur mit ihrem charismatischen Mezzosopran, sondern auch mit einer ungewöhnlich eindringlichen darstellerischen Begabung. Sie unternahm mehrmonatige Konzertreisen, bei denen auch viele ihre eigenen Kompositionen aufgeführt wurden. Dabei sang sie die Norma, natürlich auf Italienisch, aber auch Werke von Glinka und Tschaikowski auf Russisch. Meyerbeer komponierte für sie die Fidès in Le Prophète – auf Französisch. Dazu kamen noch so unterschiedliche Komponisten wie Gluck und Verdi. Außerdem bearbeitete sie fremde Werke sowie traditionelle Lieder verschiedener nationaler Herkunft, um diese dem breiteren Publikum nahe zu bringen. Schon ab 1838 wurden ihre Kompositionen und Bearbeitungen in mehreren Sprachen und Ländern verlegt, u.a. in Kopenhagen, Warschau, Berlin, Paris, London, Sankt Petersburg und New York. Pauline Viardot war eine der vielseitigsten KünstlerInnen des 19. Jahrhunderts.
Bei einer dieser Reisen im Jahre 1843 lernte Pauline in Sankt Petersburg Iwan Turgenjew kennen, damals ein aufstrebender junger Schriftsteller aus bestem Hause. Er verfiel ihr sofort und widmete Pauline ab diesem Augenblick sein Leben und seine Berufung. Bis zu seinem Tod im Jahre 1883 wird diese Dreiecksbeziehung sein Leben bestimmen. Denn auch Louis, der deutlich ältere Gatte Paulines, wird Iwan stets freundschaftlich verbunden bleiben. Die aus einer anderen Liebesbeziehung stammende Tochter Turgenjews wird nach dessen Tod sogar von Pauline in die Familie aufgenommen. Ungewöhnlich.
1863, mit erst 42 Jahren, zog sich Pauline beinahe vollständig von der Bühne zurück und übersiedelte mit der Familie nach Baden-Baden. Dort unterrichtete sie und gab mit ihren Schülern und Kindern Konzerte und Opernaufführungen im kleinen, eher privaten Rahmen. Ein eigens errichtetes Gartentheater und die von ihnen bewohnte Villa taugten dafür hervorragend. Paulines dortige Matinéen waren berühmt. Wilhelm und Auguste Victoria von Preußen, Otto von Bismarck, Artur Rubinstein, Franz Liszt, Richard Wagner, Theodor Storm, Iwan Turgenjew, der in dieser Zeit mit den Viardots lebte, und natürlich George Sand – sie alle waren da. Auch Paulines enge Freundin Clara Schumann kam und man spielte Chopin, Brahms – und natürlich Schumann.
Pauline widmete sich nun auch wieder verstärkt der Komposition. Die Aufführung ihrer fantastischen Operette Le Dernier Sorcier (Der letzte Zauberer) wurde 1869 von Johannes Brahms dirigiert. Im Gegenzug sang sie die Uraufführung seiner Alt-Rhapsodie. Unterdessen genoss Pauline auch als Gesangslehrerin einen ähnlich legendären Ruf wie schon Jahre zuvor ihr Bruder Manuel.
Zu Beginn des deutsch-französischen Krieges kehrte die Familie Viardot über London nach Paris zurück.
1874 erlitt Louis einen Schlaganfall, der ihn bis zu seinem Tode im Jahre 1883 ans Haus fesselte. Pauline pflegte ihren Mann, führte einen Salon, komponierte und unterrichtete bis zu ihrem eigenen Tod mit 88 Jahren im Frühsommer 1910.
(A. W.)
Literatur:
Borchard, Beatrix: Pauline Viardot-Garcias: Fülle des Lebens, Köln/Weimar/Wien 2016
Géliot, Christine: Mel Bonis, Kassel 2015
Kesting, Jürgen: Die großen Sänger , Düsseldorf 1986
Wigbers, Miriam-Alexandra: Johannes Brahms und Pauline Viardot, Tutzing 2011