1858 kommt Giacomo Puccini in Lucca, der einst unabhängigen Republik in der nordwestlichen Toskana, zur Welt. In der von Olivenbaumhügeln und einer Stadtmauer umgebenen traditionell katholischen, bürgerlichen und eleganten Stadt erfindet Puccini die Oper und ihre Geschichten neu. Die beginnende Industrialisierung und die dabei in großer Zahl entstandene Arbeiterklasse bringen das langjährige Gefüge der aufstrebenden Region durcheinander. Der junge Komponist mit seinem romantischen Seelenleben fühlt sich dem Volk enger verbunden, als den Händlern und Pilgern. In seinen Opern “Tosca”, “Madam Butterfly” und “La Bohème” werden die einfachen Leute zu Helden der jeweiligen Geschichten. Ihre tiefen Gefühle im alltäglichen Leben werden durch Puccinis Musik zum Epos.
Bürgertum und Kaufleute waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Stadt Lucca in der Minderheit, jedoch sehr mächtig und mit großem Besitz ausgestattet. Die vielen schönen Fassaden der Stadt erzählen davon. Der Großteil der Bevölkerung bestand jedoch aus Bauern, die allmählich an der aufkommenden Industrialisierung teilnahmen.
Puccini kam aus einer Familie von Kirchenmusikern. Sie waren sehr angesehen, führten jedoch ein bescheidenes Leben. Giacomos Kindheits – und Jugendfreunde kamen aus dem einfachen Volk und diese Leute waren dann schon die Helden seiner ersten Opern. Lucca – die Stadt der 100 Kirchen – liegt auf der Via Francigena. Das ist der Pilgerweg nach Rom. Viel Kirchenmusik erklingt hier schon von alters her und auch Puccini hat sein erstes Geld als Organist verdient. Sein ganzes Leben lang wird ihn diese Musik begleiten und auch in seinen Opern auftauchen. In TOSKA spielt die Orgel auf dem Höhepunkt der Dramaturgie im Te Deum eine wichtige Rolle als Begleitinstrument.
Gefühlsausbrüche und große Leidenschaften ziehen sich durch Puccinis ganzes Werk und sie bestimmen auch das Leben des Komponisten abseits der Opernbühne. Viel Zeit verbringt er mit seiner Geliebten, die skandalöserweise ihre Ehe gebrochen hatte, in dem kleinen Dorf Torre del Lago. Dort schreibt er MADAM BUTTERFLY und vielleicht hat ihn das unendliche Plätschern der Wellen und das Rauschen des Windes im Schilf zu dem gesummten, zarten Chor des 2. Aktes inspiriert.
Leidenschaft, Verrat, Liebe, Tod – das sind die Dinge, die die Menschen berühren. Und Puccini hat sie mit seiner einzigartigen und neuen Art der Musik auf die Bühne gebracht.
(A. W.)