Etwas, was bei oberflächlicher Betrachtung wie eine natürliche Entwicklung erscheint (und das Geschick unseres Kontinents über Jahrhunderte beeinflusste), war die Entstehung des Kurfürstentums im ehemaligen ostfränkischen Reich.
Dabei war es vielleicht wirklich Schicksal, denn dass diese sich entwickeln konnte, und zwar nur im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, lässt sich vor allem auf einen Umstand zurückführen.
Im Jahre 911 starb Ludwig IV. (das Kind) und damit der letzte König des Ostfrankenreiches aus der Dynastie der Karolinger. Die Reichsfürsten des Ostfrankenreiches bestimmten aber nicht den legitimen Herrscher des Westfrankenreiches zu ihrem Monarchen, sondern wählten mit Konrad I. einen aus ihrer Mitte.
Was damals kein ungewöhnlicher Vorgang war, denn auch im Westfrankenreich wurde seit dem Jahr 888 der König von den Großen des Reiches gewählt.
Einmal an der Macht, konnte ein starker König durch geschicktes Taktieren meist schon zu seinen Lebzeiten darauf drängen, seinen eigenen Sohn als Nachfolger einzusetzen.
Im Westfrankenreich erreichten das die Monarchen aus der Dynastie der Kapetinger, die von 987 bis 1328 durchgehend den Herrscher stellten. Dass immer ein männlicher Erbe zur Verfügung stand und so die Krone in ihrem Haus blieb hat eine wichtige Auswirkung: In Frankreich entwickelte sich allmählich eine reine Erbmonarchie.
Im Ostfrankenreich hingegen kam es immer wieder zu einem Wechsel des Herrscherhauses, da die Dynastien regelmäßig in der männlichen Linie ausstarben.
So wurden alleine zwischen 1002 und 1152 fünf verschiedene Könige gewählt, die zwar mit ihren Vorgängern verwandt, aber nicht deren direkte Nachkommen waren.
So gab es schon 1002 neben dem Herzog Heinrich von Bayern weitere Mitbewerber, die ähnliche verwandtschaftliche Grade zum verstorbenen Otto III. aufwiesen.
Als auch 1024, 1125, 1137 und 1152 Könige gewählt wurden, die nicht Söhne des vorhergehenden Herrschers waren, verfestigte sich diese Tradition der freien Wahl und die erbrechtlichen Ansprüche wurden erheblich geschwächt.
Was schließlich in einem Wahlkönigtum endete, bei der sich jeder Anwärter auf die Krone sich mit Geschenken und Versprechungen die Gunst der Kurfürsten erkaufen musste.
Ursprünglich waren zur Teilnahme an der Königswahl alle Reichsfürsten berechtigt, doch gab es unter ihnen eine Reihe an Fürsten, denen eine Vorentscheidung zustand.
Diese waren allerdings nicht, wie man vielleicht annehmen würde, die mächtigsten unter ihnen, sondern jene, die dem König an Rang und Würde am nächsten standen.
Aus diesen ersten Anfängen entwickelte sich dann recht bald ein fester Stamm von sieben Kurfürsten.
Es waren dies: Der Erzbischof von Mainz als Reichserzkanzler für Deutschland, der Erzbischof von Köln als Reichserzkanzler für Italien und der Erzbischof von Trier als Reichserzkanzler für Burgund.
Dazu kamen noch vier weltliche Kurfürsten: Der König von Böhmen als Erzmundschenk, der Pfalzgraf bei Rhein als Erztruchsess, der Herzog von Sachsen als Erzmarschall und der Markgraf von Brandenburg als Erzkämmerer.
Im Laufe des 17. Und 18. Jahrhunderts sollten noch weitere Fürsten in diesen Kreis aufgenommen werden, doch schwand ihre Bedeutung zunehmends, bis ihre Würde und Macht mit der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation gegenstandslos wurde.